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Rund um die Rosenauer Burg

Rosenauer Burg:
Rosenauer Burg: Rundflug Juni 2009

Der Kulturskandal um die Rosenauer Burg – „Der Minister für Kultur hat weder Menschen noch Geld, um die Rosenauer Burg zu retten“, schrieb Liviu Cionineag in der Zeitung „Buna ziua Brasov“ am 4. Mai d. J. – mutet zunächst wie ein Schildbürgerstreich an. Ein italienischer Fachmann für Restaurationen historischer Architekturdenkmäler namens Alberto Drerra – so rumänische Medien – hatte vor Jahren die Verwaltung der Bauernburg übernommen und durch „Restaurations“arbeiten Unheil angerichtet. Der Bürgermeister des am südlichsten liegenden ehemaligen deutschen Ortes Siebenbürgens – einer Gründung des Deutschen Ritterordens, wie im „Lexikon der Siebenbürger Sachsen“ von 1993 zu lesen ist –, der Landrat des Kreises Kronstadt und der Direktor der Burg empfingen den Kulturminister des Landes, Toader Paleologu, am 4. Mai bei einem Besuch der Burg mit Klagen über das „Desaster“, so wörtlich, das Drerras Leute hinterlassen hatten: mit Beton übergossene mittelalterliche Mauern, mit Thermopane – einem modernen Isolierglas – gedecktes Turmdach u.ä.m. In der Begleitung des Ministers befanden sich Matteo Rosati als UNESCO-Repräsentant und die Luxemburgerin Erna Hennicot-Schoepges, Direktorin eines Instituts, das sich mit europäischen Kulturreisewegen beschäftigt. Die Herrschaften waren – wie hätte es anders sein können – von Kronstadt mit dem „Dracula Express“ angereist.

Rosenauer Burg:
Rosenauer Burg: Rundflug Juni 2009

Löst schon die Erhebung des Horrorvampirs Dracula quasi zur Galionsfigur Siebenbürgens bei jedem ernsthaft an dem Land Interessierten peinliche, ja angewiderte Gefühle aus – weil sie ein völlig falsches, an billige Effekte gebundenes Bild der großen Landschaft im Karpatenbecken suggeriert –, so erscheint der Eklat um die von den Rittern zu Beginn des 13. Jahrhunderts zugleich mit dem Ort in einer ersten Form errichteten Höhenburg, wie der Burgenhistoriker Erwin Amlacher diesen Burgtypus nannte, über den Einzelfall hinaus bezeichnend: Es geht um das gesamte mittelalterliche Architekturerbe Siebenbürgens. Durchaus nicht immer nach dem Muster der Ereignisse um die Rosenauer Bauernburg. Doch jedes Mal substanziell um die historiografische Korrektitüde in der Wahrnehmung der siebenbürgischen Burgen, Wehrkirchen, Kirchenburgen, Kirchenbauten. In der rumänischen Zeitschrift „Historia“ erschien vor einiger Zeit der Beitrag eines Bukarester Historikers über die Geschichte der „dakischen Burg“ Rosenaus. Mit keiner Silbe war in den Ausführungen die Rede von deren tatsächlichen Erbauern (Nr. 65, Mai 2007). Und Rosenaus Bürgermeister Vestea sprach angesichts des Drerra-Desasters davon, dass es „ein Verbrechen“ sei, Bulldozer „in einer dakischen Ausgrabungsstätte“ einzusetzen.

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Rosenauer Burg: Rundflug Juni 2009

Nach einer literarischen Gesprächsstunde vor zwei Jahren mit Schülerinnen und Schülern eines Kronstädter Elitelyzeums, zu der mich der Direktor eingeladen hatte, bat mich eine der – ebenso lebhaften wie intelligenten – rumänischen Schülerinnen um ein privates Gespräch; die selbstbewusste junge Dame war mir durch schnelle, sachlich präzise Fragen während der Diskussion aufgefallen. Wir verabredeten ein Treffen auf der Café-Terrasse vor dem Hirscher-Haus. Ich hätte gesagt, begann sie das Gespräch, dass meine Kinder in der Schwarzen Kirche getauft worden seien – ob ich der griechisch-orthodoxen Konfession angehöre? Auf meine Auskunft hin fragte sie erstaunt: Dürften denn auch Evangelische solche Zeremonien in der rumänischen Schwarzen Kirche vornehmen? … Es stellte sich heraus, dass die in Kronstadt geborene achtzehnjährige Durchschnitts-Note-10-Schülerin weder im Elternhaus noch in der Schule etwas von der deutschen Komponente der Stadt- und Architekturgeschichte Kronstadts erfahren hatte. Sie hörte mir fast atemlos zu, als ich ihr behutsam einiges Grundsätzliche dazu sagte – behutsam deshalb, weil ich den wachsenden Zorn auf ihrem Gesicht beobachtete. Schließlich brach es aus ihr heraus: Man lüge sie also in der Schule an! Niemals hätten die zuständigen Lehrer bei der Behandlung der Geschichte des Burzenlandes ein Wort von den Deutschen in diesem Landstrich gesagt, niemals etwas vom Ritterorden, von der Geschichte der Burgen! Sie war nicht zu beruhigen, sie fühlte sich von ihrer Schule verschaukelt …

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Rosenauer Burg: Rundflug Juni 2009

Tags darauf berichtete mir eine Lehrerin des Lyzeums – eine Buchautorin, mit der ich eine Verabredung hatte –, die Achtzehnjährige habe dem Lehrkörper im Sprechzimmer „o scena ˘ remarcabila˘“, eine bemerkenswerte Szene gemacht. –

Nicht das Anekdotische ist hier erheblich, sondern der Zustand, den es sichtbar macht – die Frage: Wie ist es hinsichtlich dieser und ähnlicher Belange generell um das europäische, über den Provinzhorizont hinausreichende Denken nicht weniger Köpfe im postkommunistisch „modernen“ Rumänien bestellt? Sollte der Rektor der Klausenburger Universität, Prof. Dr.Dr. h.c. Andrei Marga, in seinem letzten Buch, „Philosophie der europäischen Einigung“ (deutsch 2009), Recht haben, wenn er gewissen Intellektuellen unter seinen Landsleuten fast im Ton der Standpauke klarzumachen versucht, das jede europäische Nation von einigen ihrer Postulate gestriger Selbsteinschätzung Abstriche machen muss, soll nicht ganz Europa Schaden nehmen und sich die Zukunftschance verbauen?

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Rosenauer Burg: Rundflug Juni 2009

Dazu gehört nicht zuletzt die Bereitschaft zu objektiver Anerkennung der Leistung anderer Völker oder Volksgruppen. Liegt die Hoffnung bei den Achtzehnjährigen? Oder lassen auch sie sich eines Tages in den Sog der unausrottbaren Neigung zu historiografischer Entstellung der Väter hinabziehen?

Quelle: Hans Bergel, NKZ 2/2009 vom 26.Juni 2009