Die pfarramtliche Versorgung im Burzenland heute
- ein Überblick
Die seit dem 1. September 2021 vakante Pfarrstelle in der Evang. Kirchengemeinde Zeiden konnte erfreulicherweise zum 1. Dezember 2022 mit Pfarrer Danielis Mare, einem gebürtigen Burzenländer und vorher Pfarrer im Repser Land, besetzt werden. Die feierliche Präsentation (s. auch S……), an der auch Vertreter der Zeidner Nachbarschaft und „Stiftung Zeiden“ teilgenommen haben, fand am 3. Dezember 2022 in der Evang. Kirche in Zeiden in würdigem Rahmen statt. Das war am Jahresende die erfreulichste Neuigkeit aus Zeiden.
Doch die allgemeinen und sicher auch vorausschaubaren Schwierigkeiten bei der Neubesetzung der Stelle, (insgesamt gab es drei Stellenausschreibungen) geben Anlass, die aktuelle pfarramtliche Versorgung im Burzenland einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Zur Erinnerung: Nach dem überraschenden Pfarrstellenwechsel von Pfarrer Klaus-Martin Untch von Zeiden nach Hermannstadt im Januar 2008 hatte es mehr als eineinhalb Jahre gedauert, bis die Stelle am 1. September 2009 endlich mit Pfarrer Andreas Hartig besetzt wurde und das Kirchenleben in Zeiden, nach durchaus schwierigen Zeiten, wieder eine erfreuliche Eigendynamik entwickeln und sich auf einen Neuanfang einrichten konnte. Wir können froh und zugleich dankbar sein, dass das 2022 neu gewählte Presbyterium, um Kurator Christian E. Popa, die Leitung der Kirchengemeinde und die damit verbundenen Herausforderungen von Anfang an ernst genommen haben. Ihnen ist es gelungen, diese kräftezehrende Pfarrvakanz – die mit 15 Monaten länger gedauert hat, als erwartet, - mit neuem Elan und mithilfe der Angestellten der Kirchengemeinde und den Pfarrvertretungen des Kirchenbezirks Kronstadt, mit großer Selbstverständlichkeit und Ausdauer zu meistern.
Im Jahr 2021 hatte die Evang. Landeskirche A.B. in Rumänien ihr 100-jähriges Jubiläum (1921-2021) gefeiert. Doch Grund zum Feiern und zur Freude gab es 2021 nicht nur wegen der Corona-Pandemie wohl kaum in der Evang. Landeskirche Rumäniens. Zumindest haben wir davon aus der Ferne nichts mitbekommen. Es war vielmehr ein stilles Gedenken an diesen historischen Zusammenschluss des Jahres 1921, bei dem sich nach der Mediascher Anschlusserklärung vom 8. Januar 1919 des siebenbürgisch-sächsischen Nationalrats die evangelischen Kirchengebiete Rumäniens mit Siebenbürgen, dem Banat, der Bukowina, Bessarabien und dem Altreich (incl. der Dobrudscha) zur „Evang. Landeskirche A.B. in Rumänien“ – wohl aus der Not heraus – zusammenschlossen. Einzig und allein das aussagekräftige Referat von Dr. Ulrich A. Wien, das er am 13. November 2021 bei der 90. Landeskirchenversammlung hielt und das in der Siebenb. Zeitung Veröffentlichung fand, hat uns die Gründungssituation vor hundert Jahren und die weitere Entwicklung der Landeskirche in Rumänien vor Augen geführt und für die notwendige Transparenz gesorgt. Vielerorts wurde dieser Zusammenschluss, der 1921 auf der höchsten Entscheidungsebene der Siebenbürgischen Kirche vorbereitet und vollzogen wurde, in den entlegensten Kirchengemeinden gar nicht bewusst wahrgenommen. Die Menschen hatten damals, trotz ihrer Frömmigkeit und ihrem Bekenntnis zur Evang. Kirche, andere Sorgen. Für die Gemeindeglieder der evangelischen Kirchengemeinden in Siebenbürgen, war es damals lediglich ein formeller Verwaltungsakt ohne spürbare Auswirkungen auf eine grundsätzliche Umorientierung der siebenbürgischen Kirche in den einzelnen Gemeinden. Das meiste blieb so, wie es war. Und das war entscheidend für diejenigen, die der Kirche nahestanden.
Die „Neugründung“ der Evang. Landeskirche in Rumänien A.B. erfolgte damals unter der Führung von Landesbischof Friedrich Teutsch (1906-1932), der sich zeitlebens vehement gegen die Auffassung wehrte, in der Kirche der Siebenbürger Sachsen nur die Nachfolgerin der Nationsuniversität zu sehen. Die Einordnung als kirchliche Körperschaft in den rumänischen Staat, war nach dem Ersten Weltkrieg mit ein Ergebnis der territorialen Veränderungen auf rumänischem Boden, ohne dabei eine sichtbare Erneuerung der Kirche einzuleiten. Oberste Zielsetzung der evangelischen Kirchenführung und Gemeinden war es, das volkskirchliche Erbe mit über 334.966 Gemeindegliedern (Stand 31.12.1921), auf das man sehr stolz war, zu bewahren und den jahrhundertealten Bestand der Kirche nach dem Einbezug der evangelischen Kirchengemeinden im Banat, der Bukowina, in Bessarabien und im rumänischen Altreich auf keinen Fall zu gefährden.
Die ab 1968 beginnende und ab 1990 massiv einsetzende Auswanderung der evangelischen Gemeindeglieder der Landeskirche nach Deutschland hat die Evang. Landeskirche A.B. in Rumänien (EKR), die 1989 noch ca. 100.000 Gemeindeglieder zählte, zur Diasporakirche werden lassen. 1996 hatte die Landeskirche nur noch etwa 19.000 Gemeindeglieder. Der damalige Massenexodus, dem die Kirchenleitung in den Jahren nach 1989/1990 hilflos gegenüberstand, war unaufhaltsam. Heute zählt die Landeskirche gerade einmal 10.842 Gemeindeglieder (Stand: 31.12.2021). In westlichen Kirchenkreisen figuriert sie jetzt als „konfessionelle und sprachliche Minderheitenkirche im Osten Europas, mit vornehmlich deutschsprachigen Protestanten in Siebenbürgen“. Hauptzentren sind Kronstadt, Bukarest und Hermannstadt. In Zeiden, wo die Evang. Kirchengemeinde vor 100 Jahren noch 3018 Seelen zählte, gehören heute (Stand 31.12.2021) gerade mal 346 Seelen der Kirchengemeinde an. Verstärkt wird die Kirchengemeinde durch 25 Zweitmitgliedschaften von in Deutschland lebenden Zeidnern, davon 4 mit Sonderstatus.
Diese Veränderungen prägen das Bild der Landeskirche in Rumänien heute entscheidend. Diejenigen, die sich nach 1989/90 für den Verbleib in Rumänien entschieden hatten, mussten in den Jahren nach der Wende in Rumänien den dramatischen Verlauf dieser Veränderungen in den Kirchengemeinden und vor allem das Ausbluten der Gemeinden miterleben und diese unvorhergesehene Herausforderung, die auf sie plötzlich zukam, mit allen Konsequenzen annehmen.
In der Folgezeit haben in Rumänien zurück gebliebene Pfarrer und neu ausgebildete Theologen am Theologischen Institut in Hermannstadt aber auch im Ausland, die Arbeit in den Gemeinden weiter-geführt und dafür gesorgt, dass die Gemeinden seelsorgerisch versorgt werden.
Dem Evang. Kirchenbezirk Kronstadt, den z.Zt. 46 Kirchengemeinden bilden, gehören 4.199 (Stand: 31.12.2021) Gemeindeglieder an. Davon haben 34 Gemeinden die kirchliche Verwaltungsform einer Diasporagemeinde angenommen. Damit ist der Kronstädter Kirchenbezirk heute der größte Kirchenbezirk der EKR. Zum Vergleich: 1921 zählte der Kirchenbezirk noch 31.767 Gemeindeglieder. Neben den historischen Gemeinden des Burzenlandes (u.a. Kronstadt, Bartholomae, Tartlau, Petersberg, Marienburg, Honigberg, Heldsdorf, Wolkendorf, Weidenbach, Zeiden), der Repser Diaspora mit 15 Gemeinden und dem Fogarascher Gemeindeverband mit 9 Gemeinden fallen auch die evang. Gemeinden aus dem rumänischen Altreich (Große Walachei) mit Bukarest, Ploiesti, Campina und Pitesti, der Dobrudscha mit Konstanza und der Moldau mit Jassy und Braila in den Zuständigkeits- und Verwaltungsbereich des Kronstädter Bezirkskonsistoriums. Nach Bukarest (940 Seelen) und Kronstadt (930 Seelen) ist Zeiden mit 363 Seelen (Stand 31.12.2022) die drittstärkste Kirchengemeinde des Kronstädter Kirchenbezirks.
Dieser steht unter der Leitung des Bezirksdechanten und Bischofsvikars Dr. Daniel Zikeli, der in Bukarest als Stadtpfarrer auch die Geschäftsführung der dortigen Kirchengemeinde innehat. Zudem versorgt er die Diasporagemeinden des Altreichs. Das Amt des Bezirkskirchenkurators bekleidet seit vielen Jahren Ortwin Hellmann.
Die nachstehende Übersicht gibt Auskunft über die aktuelle pfarramtliche Versorgung im Burzenland. Längst hat nicht jede Gemeinde mehr einen eigenen Pfarrer, stattdessen werden mehrere Gemeinden von einem Seelsorger betreut. Vieles ist nicht mehr, wie es einmal war. Doch wen wundert das heute? Die Seelenzahl und Größe der Gemeinde macht deutlich, in welcher besorgniserregenden Situation sich der Seelsorgebereich im Burzenland befindet. Doch das Bezirkskonsistorium in Kronstadt und das Evang. Landeskonsistorium in Hermannstadt sind nach Kräften bemüht, der pfarramtlichen Versorgung die Bedeutung beizumessen, die zurzeit erforderlich ist, um weiterhin bestehen zu können. Der beste Beweis dafür, ist die Einführung von Pfarrer Joachim Lorenz am 12. März 2022 in der Honterusgemeinde Kronstadt und die Neubesetzung der Pfarrstelle in Zeiden zum 1. Dezember 2022.
Ev. Kirchengemeinde |
Seelenzahl Stand: 31.12.2021 |
Pfarrer/-in /pfarramtliche Versorgung (aktueller Stand) |
Kurator/-in (Stand: 2021/2022) |
Brenndorf | 37 |
Pfarrer Dr. Peter Klein (Verwaltung erfolgt über Kigde. Petersberg) Diasporagemeinde - |
Kontaktperson: Manfred Copony |
Heldsdorf | 134 | Pfarrer Danielis Mare (im Verbund mit seinem Auftrag in Zeiden) | Karl-Heinz Gross |
Honigberg | 125 |
Pfarrer i.R. Kurt Boltres (zweiwöchentlicher Gottesdienst) |
Erika Popescu |
Kronstadt | 930 |
Stadtpfarrer Christian Plajer Pfarrerin Adriana Florea Pfarrer Joachim Lorenz |
Ortrun Mahl |
Bartholomae | 163 | Pfarrstelle z.Zt. vakant (die Gemeinde wird z.Zt. von Pfarrer i.R. Klaus Daniel seelsorgerisch versorgt) | Dr. Albrecht Klein |
Marienburg | 19 |
(pfarramtl. Versorgung erfolgt über die Evang. Honterusgemeinde Kronstadt) Diasporagemeinde - |
Friedrich G.Taus |
Neustadt | 107 | Pfarrer Uwe Seidner | Gabriel Marin |
Nußbach | 100 |
(pfarramtl. Versorgung erfolgt über die Evang. Honterusgemeinde Kronstadt, Pfarrerin Adriana Florea und Pfarrer Christian Plajer) |
Helmuth Kosa |
Petersberg | 89 | Pfarrer Dr. Peter Klein | Hans-Otto Klees |
Rosenau | 139 | Pfarrer Uwe Seidner | Darius Oltean |
Rothbach | 9 | Hier finden keine Gottesdienste mehr statt. – Diasporagemeinde - | Mariana Berbecar |
Schirkanyen | 18 |
Pfarrer Johannes Klein, Fogarasch (Gemeindeverband Fogarasch) |
Wiltrud Lukas |
Tartlau | 89 | Pfarrer Dr. Peter Klein | Gerhard Klutsch |
Weidenbach | 63 |
Pfarrer Uwe Seidner Diasporagemeinde - |
Anneliese Paiuc |
Wolkendorf | 115 | Pfarrer Uwe Seidner | Catalina Grideanu |
Zeiden |
363 (31.12.2022) |
Pfarrer Danielis Mare | Christian E. Popa |
Die Seelenzahlen der Gemeinden, mit Stand 31.12.2021, hat uns der Kronstädter Bezirksanwalt Manfred Copony am 7. März 2022 über Andrea Miron (Zeiden) zur Verfügung gestellt. Die Zahlen für das Jahr 2022 liegen uns noch nicht vor.
Diesen Menschen, die mit bewundernswertem Engagement und viel Überzeugung in den noch selbstständigen Gemeinden und Diasporagemeinden der Evang. Landeskirche in der Verantwortung stehen (die letzten kirchlichen Wahlen fanden in den Gemeinden 2021/2022 statt) und bestrebt sind, die siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und das geschichtliche Kulturerbe unserer Vorfahren zu schützen und zu bewahren, gebührt unser Respekt und Dank.
Bemerkenswert ist, dass schon vor 450 Jahren im Jahre 1572, also ca. drei Jahrzehnte nach der Reformation in Siebenbürgen, sich die Kirchensynode in Birthälm dazu bekannte, dass die „erschütterten Gemeinden des sächsischen Volkes“ nicht durch eigene, „menschliche“ Maßnahmen hatten überleben können. Leider ist dieses Bekenntnis heute schwer einzuordnen. Man darf gespannt sein, wohin der weitere, sicher nicht einfache Weg der Evang. Landeskirche A.B. in Rumänien in den nächsten zwei Jahrzehnten führt und welchen weiteren Veränderungen das „evang.-sächsische“ Gemeindeleben im Burzenland künftig unterworfen sein wird.
Böbingen, den 2.02.2023
Helmuth Mieskes
Bild 1: Dechant Dr. Daniel Zikeli
Bild 2: Pfr. Christian Plajer
Bild 3: Pfr. Danielis Mare
Bild 4: Pfr. Uwe Seidner
Bild 5: Pfr. Dr. Peter Klein
Bild 6: Pfrin. Adriana Florea
Bild 7: Pfr. Joachim Lorenz